Primäre Hyperoxalurie

Oxalat ist ein Endprodukt des Stoffwechsels und wird, solange die Nierenfunktion ausreichend ist, fast komplett über den Urin ausgeschieden. Bei extrem hoher Oxalatausscheidung, wie bei der primären Hyperoxalurie (PH) üblich, ist der Urin immer für Calcium-Oxalat (CaOx) übersättigt, es bilden sich CaOx Kristalle. Dies führt zu Ablagerungen dieser Kristalle im Nierengewebe (Nephrocalcinose) oder zu Steinbildung in den ableitenden Harnwegen. Beides löst eine chronische Entzündungs- und Vernarbungsreaktion und schließlich eine Nierenfunktionseinschränkung aus.

Derzeit werden 3 Formen der primären (PH) von den sekundären Hyperoxalurien unterschieden. Die primären Hyperoxalurien Typ I – III sind autosomal-rezessiv vererbte Erkrankungen. Autosomal-rezessiv bedeutet, dass der Patient sowohl auf dem von der Mutter, als auch vom Vater geerbtem Chromosomanteil die gleiche Veränderung in einem spezifischen Gen geerbt haben muss um erkrankt zu sein. Die Eltern sind dabei meist nicht von der Erkrankung betroffen, sie haben ja ein gesundes und ein krankes Gen. Chromosomen sind Strukturen, die Gene und damit Erbinformationen enthalten.

Durch unterschiedliche Enyzmdefekte wird bei den primären Hyperoxalurien vor allem in der Leber viel zu viel Oxalsäure produziert, welche später im Urin ausgeschieden werden muss. Für den menschlichen Körper ist Oxalsäure Abfall, wohingegen z.B. für kleine, den Darmtrakt besiedelnde Bakterien (Oxalobacter) Oxalat die Hauptenergiequelle ist. Dies könnte eine wichtige Rolle bei der zukünftigen Behandlung der primären Hyperoxalurien spielen.

Hyperoxalurie und eine erhöhte Ausscheidung von Glykolsäure sind bei der PH I durch mangelnde oder fehlende Aktivität, bzw. einer falschen Lokalisation des in der Leber normalerweise in den Peroxisomen befindlichen Enzyms Alanin:Glyoxylat-Aminotransferase (AGT, AGXT-Gen auf Chromosom 2q37.3) verursacht (Enzym = Eiweiß, welches eine chemische Reaktion antreibt, Peroxisom = Mikrokörper in der Leber mit Entgiftungsfunktion). Eine verminderte Aktivität von Glyoxylat-Reduktase führt bei der PH II zu Hyperoxalurie und erhöhter Urinausscheidung von L-Glyzerinsäure (GHPR-Gen auf Chromosom 9p11). Seit 2010 ist eine dritte Form der primären Hyperoxalurie bekannt, diese wird durch einen Defekt im mitochondrialen Hydroxyprolinabbau bedingt (Mitochondrien = Zellkörper, der sozusagen als der Motor eine Zelle beschrieben werden kann). Hier ist das Enzym 4 Hydroxy-2.-Oxo-Glutaraldolase (HOGA1) Defekt und im Urin findet sich deswegen neben der Hyperoxalurie auch eine erhöhte Ausscheidung von Hydroxy-oxo-Glutarat (HOG) und Hydroxy-oxo-Glutamat (DHG).

Neben der Ablagerung von CaOx in den Nieren kommt es bei zunehmender Einschränkung der Nierenfunktion zu einer systemischen Oxalose, welche u.a. Auge, Herzmuskel, Gefäßwände, Haut, Knochen und das Zentralnervensystem betrifft. Als Folge kommt es neben der Nierenfunktionseinschränkung zu verschiedenen Oxalose typischen Organerkrankungen wie Blindheit, Herzrhythmusstörungen, nicht mehr therapierbare Blutarmut, sowie Oxalat-Knochenerkrankung und gegebenenfalls auch zum Tod.

Hohe Flüssigkeitszufuhr, Vitamin-B6-Behandlung im Falle der PH I und Gabe von Medikamenten, die die Kristallisation von Calciumoxalat verhindern, bilden das Rückgrat der konservativen Therapie, welche aber meist nicht ausreicht. Bei der Mehrzahl der Patienten kommt es zu einem endgültigen Nierenversagen, entweder frühzeitig schon im Säuglingsalter (=infantile Oxalose), oder aber im 2.-4. Lebensjahrzehnt.

Als ausreichend wirksamer Therapieansatz steht derzeit nur eine Nierentransplantation bei PH II, bzw. die kombinierte Leber- und Nierentransplantation bei bereits eingetretener Funktionseinschränkung der Niere bei Patienten mit PH I zur Verfügung.

Der klinische Verlauf der primären Hyperoxalurien ist sehr unterschiedlich, eine wirkliche Genotyp/Phänotyp Korrelation gibt es nicht. Die Ausprägung reicht vom bloßen Auftreten einzelner Nierensteine im hohen Alter bis zu einer frühkindlichen Nierenfunktionseinschränkung. Auch innerhalb der Familie kann die Variabilität hoch sein.

Neue Therapieoptionen sind derzeit in der klinischen Prüfung. Wenn Sie an einer Teilnahme an einer solchen Studie Interesse haben, dann bitte wenden Sie sich an info@hyperoxalurie-zentrum.de